PressemitteilungProvenienzforschungsprojekt zu NS-Raubgut endet

Museumsverband Hessen und Stadtmuseen in Bad Wildungen und Eschwege schließen gemeinsames Forschungsprojekt ab

Kassel, 24. Juli 2025

Das Kooperationsprojekt des Museumsverbandes Hessen (MVH) mit den Stadtmuseen Bad Wildungen und Eschwege endet nach sechs Monaten Laufzeit erfolgreich am 31. Juli 2025. Im Mittelpunkt des vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste geförderten Vorhabens stand die Untersuchung von insgesamt 68 Museumsobjekten, die ein Erstcheck des Museumsverbandes Hessen im Jahr 2022 als möglicherweise NS-verfolgungsbedingt entzogen einstufte. Die nun durchgeführten tiefergehenden Forschungen erbrachten wertvolle Ergebnisse für die Museumsarbeit und den zukünftigen Umgang mit den Objekten in den teilnehmenden Museen.

Gegenstand der detaillierten Recherchen waren drei Gemälde, eine Lithografie, sieben Judaica-Objekte sowie 57 Bücher. Zwei der Gemälde erwarb das Stadtmuseum Bad Wildungen während der NS-Zeit über ein Auktionshaus, das nachweislich mit enteignetem jüdischem Eigentum handelte. Ein weiteres Gemälde stammt aus dem Besitz eines sogenannten „Ariseurs“ und ist NS-verfolgungsbedingt entzogen. Eine Lithografie von Oskar Kokoschka befindet sich seit 1989 als Dauerleihgabe in der Kunstsammlung Eschwege. Bei ihr konnte nun ausgeschlossen werden, dass das Exemplar aus dem Besitz des jüdischen Kunstkritikers und Schriftstellers Paul Westheim, wie anfangs vermutet, stammt.

Die Judaica-Objekte gelangten seit Ende der 1990er Jahre in die städtischen Museen. Sie wurden im Zuge einer verstärkten Auseinandersetzung mit der Geschichte der jüdischen Bevölkerung in Eschwege und Bad Wildungen angekauft oder geschenkt, da am Ort selbst kaum Objekte jüdischen Ursprungs erhalten geblieben waren. Ein Sabbath-Leuchter konnte der jüdischen Familie Katz aus Bad Wildungen zugeordnet werden. Die rechtmäßigen Erbinnen und Erben leben heute wahrscheinlich in den USA und sollen ausfindig gemacht werden. Die Bücher im Stadtmuseum Bad Wildungen stammen ursprünglich aus der Bibliothek der Kasseler Synagoge und sollen an die jüdische Gemeinde zurückgegeben werden.

Zusammenarbeit als Schlüssel zur historischen Aufarbeitung

Die Recherche erfolgte auf Grundlage von Museums- und Archivquellen, digital und analog zugänglichen Dokumenten sowie einschlägiger Forschungsliteratur. Ergänzend wurden Fachkolleginnen und Kollegen, Archivpersonal sowie ehemalige Mitarbeitende der Museen in die Arbeit einbezogen. Ziel war es, die Besitzverhältnisse vor dem Eingang der Objekte in die Sammlungen möglichst eindeutig zu klären – insbesondere im Hinblick auf eine mögliche Herkunft aus dem Eigentum von NS-Verfolgten, vor allem jüdischen Bürgerinnen und Bürgern. „Die sorgfältige Aufarbeitung der Herkunft dieser Objekte ist ein zentraler Bestandteil verantwortungsvoller Museumsarbeit – gerade im Umgang mit dem Kulturerbe aus der Zeit der NS-Herrschaft“, sagt Dr. Saskia Johann, Referentin für Provenienzforschung beim MVH.

Mit dem Abschluss des Projekts leisten die beteiligten Institutionen einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung des Kulturgutentzugs in der NS-Zeit. „Auch als kleines Museum möchten wir uns dieser Aufgabe stellen“, so Dr. Annika Spilker, Leiterin des Stadtmuseums und Stadtarchivs Eschwege. Gleichzeitig verdeutlicht das Projekt, wie wichtig die Kooperation zwischen Museen, Archiven und Fachstellen bei der Erforschung von Sammlungsgut ist. „Die Kooperation zwischen dem Museumsverband Hessen und dem Stadtmuseum Eschwege hat es uns ermöglicht, unsere Sammlungen kritisch zu hinterfragen und die Biografien hinter den Objekten sichtbar zu machen“, so Lisa Beutler, Leiterin des Kulturamtes und der Städtischen Museen Bad Wildungen.

Unerlässlich ist dabei auch die Unterstützung des Deutschen Zentrum Kulturgutverluste. Die Stiftung wurde 2015 von Bund, Ländern und den drei kommunalen Spitzenverbänden gegründet und fördert bundesweit Provenienzforschungsprojekte in Museen, Archiven und Bibliotheken. Die Einrichtung befasst sich sowohl mit NS-Raubkunst, der Aufarbeitung der in der ehemaligen sowjetischen Besatzungszone und der DDR entzogenen Kulturgüter als auch mit Kultur- und Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten und kriegsbedingt verlagerten Kulturgütern.

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Gefördert durch:

Logo Deutsches Zentrum Kulturgutverluste.

Bildmaterial

Porträt eines jungen Kindes mit dunklem, lockigem Haar, das ernst in die Richtung des Betrachters blickt. Das Kind trägt ein schlichtes, helles Oberteil. Der Hintergrund ist neutral beige. Links neben der Schulter befindet sich die Signatur „Anton Kaulbach“.
Gemälde von Anton Kaulbach; Foto: Julia Heinzerling © Städtische Museen Bad Wildungen

Kontakt

Dr. Saskia Johann
Referentin für Provenienzforschung
Museumsverband Hessen e. V.
Kölnische Straße 42-46, 34117 Kassel
Tel.: (0561) 7889-46697 
E-Mail: saskia.johann@museumsverband-hessen.de

Lisa Beutler
Leiterin Städtische Museen Bad Wildungen
Tel.: (05621) 96796-10
E-Mail: l.beutler@badwildungen.net

Dr. Annika Spilker
Leiterin Stadtmuseum Eschwege
Tel.: (05651) 304281
E-Mail: annika.spilker@eschwege-rathaus.de

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