Informationsblatt - Gefahr durch Foto und Filmbestände aus Cellulosenitrat

Dieses Informationsblatt gibt einen Überblick über die Gefahren und den richtigen Umgang mit Cellulosenitratmaterialien zum Schutz von Mensch und Kulturerbe.

Der Klimawandel stellt Archive und Museen zunehmend vor neue Herausforderungen. Besonders gefährlich wird es, wenn historische Materialien wie Cellulosenitratfilme und
-fotonegative bei hohen Temperaturen instabil werden. Diese bis in die 1950er Jahre gebräuchlichen Fototräger können sich zersetzen und dabei giftige Gase freisetzen oder sich sogar selbst entzünden. Ein aktueller Fall bei Hessen Kassel Heritage (HKH) zeigt, wie anhaltende Hitzeperioden zur Freisetzung gefährlicher Stoffe aus alten Fotonegativen führen können – mit Folgen für Menschen, Gebäude und Kulturgüter.

Wie erkennt man Fotonegative und Filmrollen aus Cellulosenitrat?

Cellulosenitrat (auch Nitrocellulose) ist ein Kunststoff und diente als Trägermaterial für fotografische Filme und Negative. Es wurde zwischen 1889 und den späten 1950er Jahren produziert.

Im Verlauf der 1950er Jahre setzten sich die schwerer entflammbaren Sicherheitsfilme (z. B. aus Celluloseacetat) durch. Sie sind oft als solche gekennzeichnet z. B. mit der Einbelichtung „Sicherheitsfilm“, „de sécurité“, „safety“ oder „safety film“.

Produktionszeitraum

  • Fotonegative, Filmnegative oder -rollen, die zwischen 1889 bis 1952 produziert wurden, bestehen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit aus Cellulosenitrat
  • Gehen Sie davon aus, dass es sich bei Trägermaterial aus Kunststoff vor 1952 immer um Cellulosenitrat handelt!
  • 1957 wurde die Verwendung von Nitrocellulosefilm in der BRD verboten, in der DDR wurde er noch bis in die 1960er Jahre verwendet

Beschriftung

  • Bei manchen Originalverpackungen oder am Rand der Filmrollen ist „NITRATE“, „CELLULOSE NITRATE“ oder „NITRO“ aufgedruckt oder eingeprägt

Geruch

  • Mit zunehmender Alterung zersetzt sich das Material und es macht sich ein stechender Geruch (ähnlich Salpetersäure oder Lack) bemerkbar

Aussehen / typische Alterserscheinungen

  • Meist durchsichtig bis leicht bräunlich-gelbliche Färbung
  • Mit zunehmendem Alter machen Zersetzungsprozesse das Nitratträgermaterial spröde und brüchig, es wird klebrig, schrumpft und wird dadurch oft wellig
  • Die gelb-braune Färbung wird mit zunehmendem Alter stärker
  • Ausblühen in Form von Puder oder Kristallablagerungen möglich

Mögliche Gefahren durch Cellulosenitrat

Trägermaterial auf Cellulosenitrat-Basis gilt als hochgefährlich und fällt unter das Sprengstoffgesetz. Selbst bei idealen Lagerungsbedingungen finden stetig Abbauprozesse statt.

Leicht und selbstentzündlich

  • Cellulosenitrat ist stark entzündlich: Es kann sich bei Hitze oder Funken selbst entzünden
  • (Stark) gealtertes Material kann sich bereits bei Temperaturen von 38-41 °C entzünden
  • Unter ungünstigen Umgebungsbedingungen (z. B. Austrocknung, Lagerung in geschlossenen Dosen, ungenügende Belüftung, Funken oder statische Elektrizität) besteht bereits bei Temperaturen ab 38 °C akute Brand- und Explosionsgefahr
  • Der Zersetzungsprozess setzt selbst Wärme frei, was zur Selbstentzündung führen kann
  • Eine exakte Vorhersage, ab wann ein Material Feuer fängt, ist nicht möglich

Schnelle, explosionsartige Verbrennung

  • Die Verbrennung kann ohne Sauerstoffzufuhr erfolgen
  • Einmal entflammtes Cellulosenitrat brennt heftig, schnell und verteilt brennende Partikel großflächig
  • Das Material lässt sich kaum löschen, auch nicht mit Wasser oder handelsüblichen Feuerlöschern
  • Bei der Lagerung größerer Mengen Cellulosenitrat besteht eine erhöhte Explosionsgefahr, insbesondere bei fortgeschrittener Zersetzung

Selbstzersetzung und Schädigung von benachbartem Material

  • Altes Cellulosenitrat zersetzt sich chemisch, wobei Stickstoffverbindungen, Säuren und andere aggressive Gase freigesetzt werden
  • Dies kann Objekte in der näheren Umgebung (z. B. Papier oder andere Filme) angreifen und beschleunigt den Zerfall

Gesundheitsgefährdung durch toxische Dämpfe

  • Beim Zerfall oder bei Bränden werden gesundheitsschädliche Dämpfe freigesetzt
  • Das Einatmen kann die Atemwege reizen oder langfristige Schäden verursachen

Sichere Lagerung

Möglichst kühle und stabile Temperatur

  • Je höher die Temperaturen, desto schneller zersetzt sichCellulosenitrat
  • Auch Temperaturschwankungen beschleunigen die Zersetzung
  • Daher gilt: Je kühler und stabiler das Raumklima, desto besser  
  • Relativ sicher ist eine Lagerung bei Temperaturen zwischen 18 °C und 25 °C oder niedriger
  • Idealerweise beträgt die Lagertemperatur 8-12°C

Stabile Luftfeuchtigkeit

Die relative Luftfeuchtigkeit sollte zwischen 30 und 50 % liegen und möglichst stabil bleiben

Gute Belüftung

  • Lager- und Arbeitsräume sollten gut belüftet sein, um die bei der Zersetzung entstehenden giftigen Gase abzuleiten

Keine Hitze- und Zündquellen in der Nähe

Direkte Sonneneinstrahlung, Heizflächen und andere Hitzequellen sowie Funken strikt vermeiden

Regelmäßige Kontrolle

  • Sicht- und Geruchskontrollen auf typische Alterungsmerkmale

Getrennt und feuerfest lagern

  • Lagerung getrennt von anderen (brennbaren oder oxidierenden) Materialien
  • Lagerung großer Mengen am selben Ort vermeiden
  • Lagerung in nicht brennbaren, aber gasdurchlässigen Behältnissen (fest verschlossene Behältnisse erhöhen die Explosionsgefahr, da freigesetzte Gase nicht entweichen können!)

Personenschutz

  • Nur geschultes Personal sollte Zugang zum Lagerbereich haben
  • Bei Handhabung Schutzhandschuhe und ggf. Schutzbrille und Atemschutz verwenden

Kennzeichnung

  • Alle Bestände mit potenziellem Nitratmaterial müssen eindeutig und sichtbar als Gefahrstoff gekennzeichnet werden

Informationen sichern und Entsorgen

  • Sich zersetzendes Material sichern, z. B. digitalisieren (lassen), aussondern und entsprechend den Gefahrstoffvorschriften entsorgen
  • Cellulosenitrat gilt als gefährlicher Abfall
  • Die Entsorgung von Cellulosenitrat erfolgt über eine zugelassene Fachfirma für gefährliche Abfälle
  • Eine Entsorgungsfirma finden Sie über Ihr Umweltamt, die Abfallberatung der Kommune oder Firmenverzeichnisse für Sonderabfallentsorgung („Gelbe Seiten“, kommunale Webseiten)

Im Notfall

  • Bei starker Geruchsentwicklung oder sichtbarer Zersetzung: Raum verlassen und Lüften
  • Gase nicht einatmen
  • Im Brandfall: Raum sofort verlassen, Feuerwehr informieren und auf Nitratfilmbrand hinweisen (Gefahrguteinsatz der Feuerwehr)
  • Niemals versuchen, den Brand eigenständig zu löschen!
  • Kolleg*innen warnen

Vernetzen

Notfallverbünde für Kulturgutschutz in Deutschland sind Regionale und überregionale Netzwerke zum gegenseitigen Beistand im Notfall. Hier finden Sie u. a. Adresslisten und Netzwerkportale. Notfallverbünde (Liste) – Notfallverbünde

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